Klimarisiken und extreme Wetterereignisse: Schaden- und Unfallversicherungsbranche müssen den Blick in die Zukunft wagen!

Laura Drabik, Chief Innovation Officer bei Guidewire erklärt, wie Versicherer durch prädiktive Vorhersagemodelle den sich verändernden Wetterereignissen begegnen können

Der Klimawandel stellt die Versicherungsbranche vor nur schwer kalkulierbare Herausforderungen: Das aktuelle Hochwasser mit Schwerpunkt in Bayern und Baden-Württemberg in kurzer Folge auf ähnliche Szenarien im Saarland und in Rheinland-Pfalz verdeutlichen, dass die Bewertung der Risiken durch Extremwetterereignisse neu erfolgen müssen. Denn viele Versicherer orientieren sich bis dato häufig noch an Wettermodellen, die sich auf historische Daten beziehen. Die Alternative ist, Klimarisiken mit prädiktiven Modellen genauer vorherzusagen.

Versicherer spielen eine zentrale Rolle bei der Bewältigung von Klima- und Extremwetterereignissen. Sie sind in der Verantwortung, die Gesellschaft auf finanzielle Risiken vorzubereiten und diese zu mindern. Zwar sind Versicherungen von Natur aus risikobehaftet, die zunehmenden Schäden durch Auswirkungen des Klimawandels unterstreichen jedoch die Notwendigkeit für die Branche, technologische Innovationen für eine wirksame Risikominderung zu nutzen. Mit den folgenden drei Sofortmaßnahmen haben Versicherer nicht nur das Potenzial eigene Risiken zu mindern, sondern auch einen Beitrag dazu zu leisten, die Klimarisiken für Gemeinden, Verbraucher und die Welt abzufedern.

1.Umdenken bei Risikobewertungsprozessen

Versicherer sollten ihren jährlichen Policenzyklus und ihr Verständnis der sich entwickelnden Risiken nutzen, um ihre Portfolios neu zu kalkulieren und umzugestalten. So können sie eine langfristige Exposition gegenüber Klimaereignissen vermeiden. Dazu ist es nötig, bei der Berechnung historischen Daten weniger Einfluss zu geben, denn das Klimasystem, in dem die Branche im vergangenen Jahrhundert operiert hat, ist stark im Wandel begriffen. Traditionelle Modelle und Erfahrungen aus der Vergangenheit reichen schlichtweg nicht mehr aus.

Heute benötigen Versicherer ein weitaus flexibleres und variantenreicheres Risikoverständnis, um der Realität nahe zu kommen. Eine Technologie, die dabei helfen kann, ist die Geodatenanalyse. Integriert in eine Versicherungsplattform werden Luftbilder, Computer Vision und prädiktive Analysen genutzt, um Immobilienrisiken sofort und auf Abruf zu bewerten. Die Lösungen können eine Risikobewertung liefern, anhand derer Versicherer feststellen können, ob und unter welchen Bedingungen sie ein bestimmtes Risiko eingehen wollen.

Um Risiken richtig zu bewerten und abzusichern, muss die Branche zudem in Technologien investieren, die ihr helfen, die Kaskadeneffekte bestimmter Klimagefahren für verschiedene Sektoren und geografische Gebiete zu verstehen. Selbst wenn Versicherer es ablehnen, ein Objekt oder eine Anlage zu versichern, können Naturkatastrophen, die Schäden an Infrastrukturen und Versorgungsketten verursachen, dennoch Auswirkungen auf diejenigen haben, die sie versichern. Nach Angaben von Swiss RE könnten diese Folgewirkungen die Weltwirtschaft bis 2050 um 23 Billionen Dollar schwächen.

2.Aufnahme innovativer neuer Produkte

Der Klimawandel bietet Versicherern außerdem die Chance neue Produkte zu entwickeln, um neuere und gehäuft auftretende Risiken wie Hochwasser oder verminderte Ernteerträge abzudecken. Ein Beispiel hierfür ist die parametrische Versicherung. Im Gegensatz zu herkömmlichen Versicherungen erfolgt die Zahlung bei parametrischer Deckung auf der Grundlage des Ausmaßes eines auslösenden Ereignisses (z. B. Hochwasser, Erdbeben, Waldbrand oder Dürre) und nicht auf der Grundlage des Versicherungswertes. Mit bestimmten Technologien können Versicherer, parametrische Versicherungen verwalten und gleichzeitig Unternehmen dabei helfen, Risiken zu identifizieren und auf vorzertifizierte Träger zu übertragen, die als „Stoßdämpfer“ für die Bedrohungen durch den Klimawandel fungieren.

Eine parametrische Deckung ist besonders dann nützlich, wenn es den traditionellen Versicherungsmärkten an Kapazität oder Bereitschaft mangelt. Dies ist vor allem der Fall, wenn die Betriebsunterbrechungsschäden durch ein wetterbedingtes Ereignis höher sind als der Wert der physischen Vermögenswerte. Für Versicherer ist dies eine effiziente Möglichkeit, nicht nur das Risiko zu mindern, sondern auch die Reaktion auf Katastrophen zu rationalisieren, indem Zahlungen genau zu dem Zeitpunkt automatisiert werden, zu dem das Volumen der eingereichten Ansprüche die Kapazitäten übersteigen könnte.

3.Unterstützung von Unternehmen bei der Risikominimierung

Nicht nur die Deckung klimabedingter Schäden, auch die Prävention dieser ist unumgänglich. Denn um klimabedingte Katastrophen zu vermeiden, kann man praktisch nichts tun, zeigt der Emissions Gap Report 2023 der UN. Allerdings besteht beispielsweise die Möglichkeit, CO2-Emissionen flächendeckend zu reduzieren und so den Temperaturanstieg so gering wie möglich zu halten. Auch hier kann die Versicherungsbranche eine entscheidende Rolle spielen.

So können beispielsweise neue Formen der Pay-as-you-drive- und nutzungsbasierten Versicherungspolicen Smartphone-basierte Telematik nutzen, um Verbrauchern akkuratere Preise anzubieten, die sie dazu motivieren, weniger zu fahren und damit weniger CO2 auszustoßen. Ebenso kann auch der Einsatz autonomer Elektrobusse und LKW-Flotten gefördert werden, die im Verbund fahren und so den Verkehr sicherer und effizienter machen.

Neben der Versicherungstechnik bieten Versicherer auch als große institutionelle Investoren enormen finanziellen Einfluss. So machten einige große Versicherer wie Zurich, Munich RE und Aon bereits Fortschritte in Bezug auf Umwelt-, Sozial- und Governance-Verpflichtungen (ESG) zur Kohlenstoffneutralität in ihren eigenen Betrieben. Zudem bemühen sie sich um ähnliche Verpflichtungen seitens der Unternehmen und Fonds, in die sie investieren.

Vom Risiko zur Widerstandsfähigkeit

Der Klimawandel erfordert sofortiges Handeln der Versicherer, nicht nur, um sich gegen die eskalierenden Risiken zu wappnen, sondern auch um die Risiken für Menschen, Regionen und die Welt besser abfedern zu können. Essenziell dafür: Eine grundlegende Neubewertung der Risikobewertungsprozesse. Dazu gehört auch ein verringerter Einfluss von historischen Daten, sowie die Einführung technologischer Innovationen, einschließlich geografischer und prädiktiver Analytik. Diese strategischen Maßnahmen sind unerlässlich, um den zunehmenden Bedrohungen durch den Klimawandel und extreme Wetterereignisse proaktiv zu begegnen. Zudem stellen sie einen bedeutenden Schritt in Richtung Widerstandsfähigkeit der Industrie und Unterstützung der globalen Bemühungen zur Risikominderung dar.

Die hier skizzierten Maßnahmen sind zwar dringend notwendig, dennoch kann die vielschichtige Bedrohung durch den Klimawandel nicht im Alleingang gelöst werden. Ein gemeinschaftlicher Ansatz, der nationale Regierungen, Massenaufklärungskampagnen, gesetzliche Vorschriften und vieles mehr einbezieht, ist unabdingbar. Nur durch konzertierte Anstrengungen auf globaler Ebene können wir verhindern, dass sich die Situation weiter verschärft. Das Engagement der Versicherungsbranche für technologische Innovation und Risikominderung ist ein wichtiger Bestandteil dieses breiteren Rahmens und trägt zu einem gemeinsamen Bemühen bei, die komplexen Herausforderungen des Klimawandels zu bewältigen.

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